Koalitionsvertrag will Zeugenpflichten ändern

5006 Erscheinenspflicht von Zeugen vor der Polizei
5007
5008 Wir werden eine gesetzliche Verpflichtung schaffen, wonach Zeugen im Ermitt-
5009 lungsverfahren nicht nur vor dem Richter und dem Staatsanwalt, sondern auch vor
5010 der Polizei erscheinen und – unbeschadet gesetzlicher Zeugenrechte – zur Sache
5011 aussagen müssen.
Quelle: Koalistionsvertrag

Sollte man nicht ersteinmal Geld in die Schulbildung investieren? Mittlerweile ist es in vielen Fällen schwierig geworden zu vertehen, was der Polizeibeamte ausdrücken wollte. Über Orthographie (neu oder alt) wollen wir erst gar nicht reden. Wieviele neue Stellen sollen denn da geschaffen werden?

Udo Vetter hat das Thema vertieft: Von der Polizeiwache in die Ordnungshaft und Burhoff verweist mit Hinweis auf die Bundestagsdrucksache 16/3659 darauf, daß das Bundesministerium für Justiz einen solchen Versuch schon einmal als nicht genügend „rechtsstaatlich“ zurückgewiesen hat. Macht sich aber beim Nichtinformierten gut.

Wenn die Kammer nicht gehorcht

ZuchtmittelSo ganz theoretisch ist die Überlegung nicht: Was passiert wenn der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Gesetz oder Satzung nicht beachtet, insbesondere die der Rechtsanwaltskammer übertragenen Aufgaben nicht erfüllt?

Beispielsweise, weil die Mehrheit der Vorstandsmitglieder ihre politischen Ansichten durchsetzen möchte, die sich mit der Gesetzes- bzw. Satzungslage nicht in Übereinstimmung bringen läßt?

§ 62 BRAO bestimmt, daß die Landesjustizverwaltung die Staatsaufsicht über die Rechtsanwaltskammern führt. Dies ist reine Rechtsaufsicht, keine Fachaufsicht, die nur zu berücksichtigen hat, ob Gesetz und Satzung beachtet sind. In Ermessensentscheidungen darf die Staatsaufsicht nicht eingreifen, es sei denn, die Entscheidung ist ermessensfehlerhaft.

Als Eingriffsinstrumentarium stehen ihr Weiterlesen

Wahrheitspflicht

Der Zeuge, vom Gericht ordnungsgemäß belehrt, erklärt:

Ich komme dann erst freitags abends nach Hause und dann achte ich nicht immer so genau darauf, was meine Frau mir erzählt.

Hatte der ein Glück, daß seine Frau nach ihm vernommen wurde und daher noch draußen saß. Sonst hätte das Gericht wohl auch nach § 55 StPO analog belehren müssen…

Robe oder nicht Robe? Das ist hier die Frage!

Die taz berichtet unter der Schlagzeile Freiheit nach 283 Jahren

Eine lange Auseinandersetzung geht ihrem Ende entgegen: Rechtsanwälte in Berlin müssen vor Gericht bald offenbar keine Robe mehr tragen. Viele linke Anwälte hatten den Robenzwang als künstliche Entfremdung von ihren Mandanten und als eines der Symbole des Obrigkeitsstaates kritisiert. Am Mittwochabend hat die Rechtsanwaltskammer Berlin die Kleiderordnung gelockert, erfuhr die taz aus dem Kreis des Vorstands. Offiziell will die Kammer sich allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt zu den Ergebnissen der Vorstandssitzung äußern.
Quelle: taz v. 16.10.2009

Nun starten wir eine Umfrage zum Thema, nachdem wir bereits im Juli über das Vorprellen des Berliner Justizstaatsekretärs berichteten und gestern Königs Kommentar im Anwaltsblatt kommentierten

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Üblich i.S.d. § 20 BORA

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Jahrelang hat sich keiner für den Schandkittel interessiert und nun auf einmal schaffte es das Thema in die Gazetten und Blogs.

Wir berichteten über die erstaulichen Ansichten des Berliner Staatssekretärs Hasso Lieber: Die totale Freiheit nach 283 Jahren, der bekannte Strafverteidiger und Presserechtler Johannes Eisenberg ließ die Hüllen fallen und Carsten Hoenig und andere jubelten schon.

Eisenbergs Sozius Dr. Stefan König kommentierte dann auch ganzseitig im Anwaltsblatt 10/2009 (2009, 687)

Wenn die Hüllen fallen, verlieren Anwälte nichts

Wirklich nichts? So gar nichts?

Darf ich altmodisch an Calamandrei erinnern:

… Ich liebe die Robe, nicht wegen des Goldkrams, der sie schmückt, noch wegen der weiten Ärmel, die den Gesten ein feierliches Ansehen geben, sondern wegen ihrer stilisierten Gleichförmigkeit, welche sinnbildlich alles persönliche Unmaß korrigiert und die individuellen Unterschiede von Mensch zu Mensch unter der dunklen Uniform der Funktion verdeckt. Die für alle gleiche Robe macht aus dem, der sie zur Verteidigung des Rechts trägt, – einen Rechtsanwalt -sowie der, welcher auf der Gerichtsbank sitzt,- ein Richter – ist, ohne Namen und Titel.Auch die Perücke der englischen Anwälte, die als ein lächerlicher Anachronismus erscheinen mag, hat das nämliche Ziel: das Amt über den Menschen zu erheben und den Berufsausübenden, welcher kahlköpfig oder grauhaarig sein mag, unter dem Beruf zu verbergen, der stets das gleiche Alter und die gleiche Würde hat. …

Der entscheidende Satz des geltenden Rechts, § 20 BORA lautet:

Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist.

und nun schließt man messerscharf aus der Aufhebung einer gerichtsverfassungsrechtlichen Norm, die neben berufsrechtlichen Normen unabhängig Bestand haben kann, daß üblich nicht üblich sein muß.

Zwang und Übung, das verträgt sich nicht: Robenpflicht ist überflüssig.

wird im Kommentar groß hervorgehoben. Übung ist Übung nur, wenn zwanglose Übung?

Nachdem die „totale Freiheit“ ausgebrochen ist, muß sich eine „Übung“ erst herausbilden.

Wow! Übung ist also nicht empirisch ermittelbar, sondern hat normative Merkmale?

Lang, lang ist es her, da habe ich bei Larenz, Methodenlehre, 343ff, gelesen:

Da der Wortsinn die möglichen Auslegungen einer Bestimmung begrenzt, empfiehlt es sich, bei ihm zu beginnen; dadurch wird man alsbald zu dem Bedeutungszusammenhang geführt, in dem diese Bestimmung zu anderen steht.

und es für einen Kalauer gehalten (ich halte es immer noch so). Sicherheitshalber habe ich nochmal im Grimm nachgeguckt: ÜBLICH adj.

Es bleibt dabei: üblich beschreibt Tatsachen. Diese Üblichkeit mag viele Ursachen haben, bewußte und unbekannte. Verhaltensweisen können sich ändern und die Feststellung, ob etwas üblich ist beeinflussen. Auch unter der Geltung der aufgehobenen Allgemeinverfügungen haben sich die Gewohnheiten verändert, beispielsweise ist es nicht üblich, vor den Berliner Arbeitsgerichten in Robe zu verhandeln.

Andererseits hat sich auch dort, wo es keine gerichtsverfassungsrechtliche Verpflichtung zum Tragen der Robe gab – vor den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten – der Brauch, die Üblichkeit, entwickelt, in Robe zu verhandeln.